Wydeneck im Dialog
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«Wir kommen, um zu bleiben»

Wenn HIAG ein Areal weiterentwickelt, treffen Visionen auf die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung. Eine der anspruchsvollsten Arealentwicklungen ist das Wydeneck-Areal in Dornach vor den Toren Basels. Wo heute noch Metall verarbeitet wird, will HIAG ein vielfältiges neues Quartier erschaffen. Das Projekt gilt als Leuchtturm für die Region.
Publiziert: 13.03.2023
Wir Kommen Um Zu Bleiben

Arealentwicklung gehört zum Kerngeschäft von HIAG. Letztlich sei das eine Art Präzisionshandwerk, sagt Muccioli: «Jedes Projekt ist ein Prototyp mit besonderen Herausforderungen und einer spezifischen Ausgangslage. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept, das sich anwenden lässt.» In der Regel übernimmt HIAG Areale, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen: Oft handelt es sich um Industriegebiete, die in ihrer bisherigen Form keine Zukunft mehr haben. Das 2015 erworbene Gelände in Dornach war die Heimat der Schweizerischen Metallwerke AG Dornach, die seit 1895 Metallwerkzeuge herstellte. Vor einigen Jahren wurde die Fabrik übernommen; der Entscheid, dass dieser Standort für die Industrienutzung aufgegeben wird, war zu diesem Zeitpunkt sowohl von den Behörden als auch vom damaligen Industriebetrieb bereits gefällt.

Noch bis Ende 2024 soll hier produziert werden, anschliessend wird die Schwerindustrie der Vergangenheit angehören. «Wir gelten als Spezialisten, wenn es um die Entwicklung von Industriearealen mit einer gewissen Grösse und Komplexität geht», sagt Muccioli. Daher kommt es durchaus vor, dass man von Firmen kontaktiert wird, die ein Areal abtreten möchten. HIAG übernimmt dabei die volle Verantwortung: Sie bleibt meist Eigentümerin des Bodens und der Gebäude. Diese vermietet HIAG und übernimmt vielfach auch die Bewirtschaftung. So ist das Unternehmen über den ganzen Entwicklungsprozess hinweg stark präsent. Oder wie Michele Muccioli sagt: «Wir kommen, um zu bleiben.» Wenn HIAG einen Ort entwickelt, zählt nicht der kurzfristige Gewinn, sondern der langfristige Mehrwert. «Bei den Entwicklungen suchen wir immer die langfristig beste Nutzung. Das sind meist nicht Mono-, sondern Multinutzungen. Der gesunde Mix aus Wohnen und Arbeiten trägt dazu bei, dass pulsierende und inspirierende Orte mit einzigartigem Charme entstehen können.»

Eine neue Vision entsteht

Die Suche nach dem künftigen Nutzungsmix ist ein längerer Prozess. HIAG entwickelt zu jedem neuen Areal eine Hypothese, abgeleitet von der historischen Nutzung, den kurz- bis langfristigen Lagequalitäten und den vorgefundenen Rahmenbedingungen. Daraus ergeben sich viele Fragen. Was heisst es für die Gemeinde, wenn Hunderte neue Wohnungen oder Tausende Quadratmeter an Gewerbeflächen entstehen? Wie entwickelt sich der Verkehr? Welche Infrastruktur ist zukünftig notwendig? Oft wird dann ein Wettbewerbsverfahren mit externen Architekturbüros oder Städteplanern durchgeführt, die eigenständige Konzepte für das Areal erarbeiten. Mit der Bewertung und Auslotung des Siegerprojekts entsteht so in Absprache mit den kommunalen und kantonalen Behörden schliesslich eine von allen Parteien getragene Vision.

Wir gelten als Spezialisten, wenn es um die Entwicklung von Industriearealen mit einer gewissen Grösse und Komplexität geht.
Michele Muccioli, Leiter Entwicklung und Realisation
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Dabei lässt sich HIAG immer von der DNA eines Orts inspirieren. Im Wydeneck-Areal ist das die Industriegeschichte. HIAG nimmt die historischen Spuren auf und versucht, einen Mix aus Neu- und Altbau zu finden. Verschiedene Industriebauten wie etwa das imposante Presswerk werden nach Möglichkeit erhalten. Der Drehscheibenplatz, auf dem früher die Güterwaggons der Bahn gesteuert wurden, soll zum zentralen Platz des öffentlichen Lebens werden. Auch die Gleise, die über das ganze Gelände führen, sollen in Form eines Fussgänger- und Fahrradwegs spürbar bleiben.

Wydeneck erwacht zu neuem Leben

Die Transformation des Wydeneck-Areals soll bis in 20 bis 25 Jahren abgeschlossen sein. Mit Zwischennutzungen wird das Gebiet aber bereits heute schon sanft in eine neue Richtung geführt und mit neuem Leben gefüllt. Leer stehende Gebäude wurden renoviert und werden nun als Ateliers, Hobbyräume oder Werkstätten vermietet. Mit der WydeKantine ist ein Kulturlokal entstanden, in dem regelmässig Konzerte, Lesungen, Diskussionen oder Events stattfinden. Zudem gibt es einen Spielplatz mit integriertem Betreuungsangebot. Noch ist die Zwischennutzung am Wachsen: Weitere Büro-, Gewerbe- oder Gastroräume sind zu vermieten. «Damit sich die Öffentlichkeit einen Ort neu aneignen kann, ist in erster Linie ein Umdenken in den Köpfen nötig, das ihnen hilft, unsere Entwicklungsabsichten zu verstehen und letztlich mitzutragen», sagt Michele Muccioli. «Dazu braucht es Nutzer mit einer gewissen Strahlkraft wie etwa Gastrobetriebe. Das ist ein Schlüsselfaktor, damit ein Ort schon etabliert ist, wenn es darum geht, langfristige Mieter zu finden.» Interessant sind beispielsweise Start-ups, die etwas Neues aufbauen und dabei von günstigen Mietkonditionen profitieren. «Wenn sie erst einmal etabliert sind, bleiben sie und investieren weiter. Dann können wir für sie ausbauen.»

Nicht nur für lokale Betriebe ist das Wydeneck eine grosse Chance. Das Quartier hat für die Gemeinde einen hohen Stellenwert und gilt als Projekt mit Leuchtturmcharakter für den Kanton Solothurn. Mit 600 bis 700 neuen Wohnungen und rund 35’000 Quadratmeter Nutzfläche für Gewerbetreibende bietet es grosses Entwicklungspotenzial. Angestrebt wird ein bunter Mix, der eine gute Durchmischung garantiert – von Eigentums- über Mieteinheiten bis hin zu preisgünstigen Wohnungen. Auch beim Gewerbeanteil steht Vielfalt im Vordergrund. Klar ist, dass eher stilles Gewerbe gefragt ist: Die Schwerindustrie hat ausgedient. Ein wichtiger Ansprechpartner ist immer auch die Bevölkerung vor Ort, denn HIAG arbeitet nicht nach einem Top-down-Ansatz. In Dornach haben nebst den üblichen Infoveranstaltungen bis anhin drei gut besuchte öffentliche Veranstaltungen stattgefunden, an denen Interessierte sich aus erster Hand informieren und ihre Ideen und Bedenken deponieren konnten.

Das Areal hat das Potenzial, alles zu vereinen: Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Unsere Vision ist ein Quartier der kurzen Wege.
Michele Muccioli, Leiter Entwicklung und Realisation
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Zusammenarbeit aller Akteure ist essenziell

Die Arealentwicklung Wydeneck ist etwas vom Komplexesten, was der 44-jährige Michele Muccioli je angepackt hat. Dies nicht allein wegen der Grösse – hier könnten dereinst gegen 2’000 Menschen leben und rund 400 bis 500 Personen arbeiten. Speziell ist auch die Lage: Das Areal liegt an der Gemeinde- und Kantonsgrenze. Auf der anderen Seite des Flusses beginnt mit der Gemeinde Aesch bereits das Baselbiet. Neben Gemeinden und Kantonen gehören auch Bundesbehörden zu den Ansprechpartnern, da aktuell der Bau einer neuen S-Bahn-Haltestelle geplant wird und auch eine interkantonale Birsquerung angedacht ist. Unabdingbar ist im Entwicklungsprozess also eine enge Abstimmung mit Gemeinden und Kantonen. Die Behörden müssen mit an Bord sein, denn eine Anpassung der Zonenpläne ist notwendig, wenn Industriegebiete zu Wohn- und gemischt genutzten Zonen werden. Für die Gemeinde hat ein solchesVorhaben zur Folge, dass die Steuereinnahmen wachsen – aber auch, dass die Infrastruktur angepasst werden muss. Diese Anliegen nimmt HIAG bereits in der Planungsphase auf. So ist beispielsweise ein neuer Schulhausstandort auf dem Gelände des Wydeneck-Areals vorgesehen, um die langfristige Quartierentwicklung zu fördern und Mehrwerte für die künftigen Bewohner zu schaffen.

Ziel ist, dass bis etwa 2028/29 die erste Bauetappe realisiert ist. Das Datum ist kein Zufall: Auf diesen Zeitpunkt will die SBB die neue S-Bahn-Haltestelle Dornach Apfelsee eröffnen, die direkt an das neue Quartier angrenzt. Damit profitieren die Nutzer von einer attraktiven ÖV-Erschliessung. Der Bahnhof Basel und der EuroAirport sind künftig ohne Umsteigen in 12 bzw. 23 Minuten erreichbar. Noch in Planung ist ein neuer Autobahnzubringer zur A18, der vor allem für die Gewerbetreibenden essenziell ist. Denn das Gelände braucht neue Erschliessungswege für den motorisierten Individualverkehr und eine bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr.

Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen

Nicht zu kurz kommt aber auch die Natur. Einen besonderen Mehrwert wird das neue Quartier mit seinem Grünraum bieten. Die Birs soll grossräumig renaturiertwerden, entlang ihres Ufers wird dann eine öffentlich zugängliche Auenlandschaft entstehen. «Wir hätten diesen Raum auch anders nutzen können», sagt Michele Muccioli, «aber wir wollten bewusst einen Park mit hoher Aufenthaltsqualität schaffen, der der Allgemeinheit zugutekommt, aber auch denQuartierbewohnern und -nutzern einen einmaligen USP bietet.» Und er betont: «Nachhaltigkeit wird bei all unseren Projekten grossgeschrieben. Das gilt in allen Bereichen, sowohl in Bezug auf die gesellschaftlichen und klimatischen Veränderungen als auch auf die ökonomischen Aspekte. Adäquate Massnahmen sind bei der Entwicklung von resilienten Arealen gefordert. Das ist höchst anspruchsvoll und fordert analytisches und differenziertes Denken, Kreativität und Fachkompetenz. Diese Herausforderungen nehmen wir gerne an und sie treiben uns tagtäglich voran.»